
Ich heiße Christine und habe Canophobie – Angst vor Hunden. Das fing schon in der Kindheit an. Und es hörte nie auf. Noch heute wechsle ich die Straßenseite, wenn mir ein Mensch mit Hund entgegenkommt. Ich möchte euch erzählen, wie das bei mir angefangen hat.
Mein Vater wurde als Junge von einem Hund in die Unterlippe gebissen. Bis heute ist er an Unterlippe und Kinn taub. Bei jeder Gelegenheit hat er mir die Geschichte immer wieder erzählt, wenn es um (fremde) Hunde ging. Das hat mich prägt, auch wenn mein Vater nach dem Angriff immer noch offen auf Hunde zugehen kann.
Dann war da noch unser Nachbarshund Ambos*, ein Rottweiler-Schäferhund-Mischling, der in einem 4 x 4 m großen Zwinger gehalten wurde. Seine Geschichte ist eigentlich traurig: Die Kinder der Familie wünschten sich einen Hund, die putzwütige Mutter meinte, aber bitte nicht im Haus, und der Vater ging schließlich ab und zu kleine Gassirunden, aber lange nicht genug, um Ambos* auszulasten. Der arme war bei Wind und Wetter 365 Tage im Jahr draußen alleine – ohne Familienanschluss oder Kontakt zu Artgenossen.
Irgendwann biss er zu. Familie und Freunde mussten schmerzvoll erfahren, dass dieser Hund eine Gefahr war. Ich werde nie den Moment vergessen, als ich in unserer Küche bei meinen Hausaufgaben saß, es plötzlich „Sturm“ klingelte und ein Teenager-Mädchen weinend und schreiend in unser Haus stürzte. Das Blut tropfte endlos aus ihrem Handgelenk auf den Boden. Um Hund und Herrchen zu beschützen, wurde behauptet, sie hätte sich Ambos gegenüber falsch verhalten. Aber wir wussten: Was auch immer dazu geführt hatte, es hatte Gründe und vor allem eine Geschichte. Ambos ist – trotz mehrere Angriffe auf Menschen – nicht eingeschläfert worden.
Heute lebe ich mit meiner Familie (Mann, 2 Kleinkinder) in einer sehr hundefreundlichen Wohngegend. Gefühlt hat jeder 3. Haushalt einen Hund. Unsere direkten Nachbarn haben sogar 4 Schäferhunde – und die beißen leider auch mal gerne zu! Und jetzt ratet mal: Die 4 erleiden ein ähnliches Schicksal wie Ambos: Sie werden zwar nicht draußen, aber dafür im Haus „eingepfercht“. Raus dürfen sie nur zu ihren viel zu kurzen Spaziergängen. Meine Nachbarin findet ihre Hunde total unauffällig, lieb und klasse. Komisch, dass sie vor ein paar Monaten, wegen eines Angriffs auf einen Hund, jetzt eine Gittertür vor ihrer Haustür angebracht haben.
Zum Ende muss ich doch noch ein schönes Hundeerlebnis erzählen: Meine damalige Freundin aus der Teenager-Zeit hatte ein Zwerg-Collie namens Lassie*. Diesen Hund habe ich wirklich – ohne Einschränkungen – geliebt! Er kam als Welpe zu der Familie und wir wuchsen zusammen auf. Dieses innige Verhältnis hatte mir die Angst genommen, bei ihm fühlte ich mich sicher. Auch den Hund von meinem jetzigen Chef mag ich sehr, vor allem, weil ich ihn gut kenne und weiß, wie ich mit ihm umgehen soll.
Fazit: Meine Canaphobie werde ich wohl nie los. Dafür habe ich schon zu viel Negatives gesehen und erlebt. Aber ich kann gut damit leben. Womit ich nicht leben kann, sind Menschen, die die Verantwortung gegenüber ihrem Hund nicht ernst nehmen, sich nicht mit ihm beschäftigen und sich nicht um eine gelungene Sozialisation kümmern. Wenn dann noch die Einsicht fehlt und der Hund anderen als „harmlos, lieb und süß“ vorgestellt wird, hört bei mir jedes Verständnis auf.
Der Halter gibt den Hunde-Ton an – nicht umgekehrt!
[* Namen geändert]